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(1) Response: Dräger zu Schade (Gnomon) on Dräger

(2) Dräger zu Pietsch (Gymnasium) on Dräger

(3) Dräger (2019) zu Heinz (2018)

Andreas Heinz: St. Simeon in der Porta Nigra zu Trier. Leben, Wunder und Verehrung eines welterfahrenen Eremiten (= Geschichte und Kultur des Trierer Landes, Bd. 16). Trier: Kliomedia 2018. 359 S., ISBN: 978-3-89890-215-1. EUR 48,00

 

„Der heilige Symeon, der 1035 in Trier [ver]starb und bald darauf vom Papst kanonisiert wurde, war einer der interessantesten Heiligen des Mittelalters. Anhand seines Beispiels wird in der vorliegenden Untersuchung die Entstehung eines hochmittelalterlichen Heiligenkults betrachtet. – Es handelt sich um die erste wissenschaftliche Aufarbeitung der Lebensgeschichte Symeons sowie der Entstehung und Verbreitung seines Kults. Eine wichtige Rolle spielt auch die detaillierte Analyse der auf Symeon bezogenen hagiographischen Texte. Die Untersuchung vermittelt ein völlig neues Bild von der Bedeutung Symeons und seines Kults und wirft neues Licht auf die Entstehung und Entwicklung des Heiligenkults im Mittelalter.“

 

So die – in der Regel vom Autor selbst geschriebene – Verlagswerbung für – nein, nicht das Buch des hier zu rezensierenden Monsignore A. Heinz, sondern für die auf Deutsch publizierte Dissertation seines Vorgängers (2002) Tuomas Heikkilä, eines finnischen Mediävisten[1], dem (und Cassegrain 1992-1993, s. Anm. 4) Heinz natürlich vielfältig verpflichtet ist, was er auch anerkennt, denn es wäre Hybris, 2018 noch die Priorität zu beanspruchen.

 

Nach Vorwort (S. 5-8), Inhalts- (9-11) und Abkürzungsverzeichnis (12) folgen die drei Hauptteile I (Texte: 14-117, synoptisch[2] lateinisch/deutsch), II (Kommentar: 119-251) und III (,Der Kult des Heiligen: 253-330); das Ende bilden „Schluss“, das heißt Zusammenfassung (331-339, teils identisch mit Vorwort), Literatur- und Abbildungsverzeichnis (341-349, ca. 30 Abb.; das Umschlagbild wird nirgends erläutert; Abb. S. 194 auch in Dräger, Gesta Treverorum, 2017, S. 316) sowie Register der Orte und Personen (351-359).

 

I. Die durch Heinz herangezogenen Texte entstammen alle den von den Bollandisten herausgegebenen Acta Sanctorum, in unserem Fall Jun. 1 (Paris/Rom, Editio novissima 1867), S. 86-101 (zur abweichenden Quellenangabe „S. 87-107“ bei Heinz S. 7 s. unten). Es sind dies: 1) der Commentarius praevius (schief Heinz: „Vorbemerkungen“) des P. Daniel Papebroch SJ (S. 14-23); 2) die eigentliche Vita Symeonis (einschließlich der Miracula) des Eberwin, Abt von St. Martin in Trier (S. 24-67); 3) der „Embolismus D.P.“ (‚Einschub’, schief Heinz: „Anmerkungen von Daniel Papebroch“) oder „De Canonizatione“ („Heiligsprechung“, S. 68-89) und 4) die Historia Elevationis (Heinz unverständlich „der Erhebung“, gemeint ist ‚Graböffnung’) Sancti Symeonis [1400] et Venerabilis Popponis [8. Jan.1517], „verfasst von den Augenzeugen Friedrich, Propst der Kirche des hl. Paulinus, und Johannes Scheckmann, Mönch von St. Maximin“ (S. 90-117).

 

Auch für den Rezensenten überraschend, kann man alle diese von Heinz herangezogenen, zumeist mehr oder minder obsoleten (Nr. 1, 3, 4) Quellen schon in einer neueren (ungedruckten) Pariser Dissertation in französischer Übersetzung lesen (Cassegrain[3]); für die ersten drei (§ 1-15) der fünf Kapitel der Symeon-Vita und -Miracula konnte Heinz sich sogar einer gedruckten älteren deutschen Übertragung anschließen (Thomsen[4]) – angesichts zahlreicher Übersetzungsfehler wünschte man, er hätte es noch öfter getan.[5]

 

Unentschuldbar jedoch ist das Übergehen der nach der Vita Symeonis selbst wichtigsten ausführlichen historischen Quelle über Symeon und seinen Förderer Poppo, nämlich 5): der Gesta Treverorum (30,18-31,19, S. 80-85 Dräger), vor allem aber ihrer 1. Fortsetzung (Continuatio I 1-7, S. 86-105 = 2x10 Seiten!), obwohl Heinz die ein Jahr vor ihm im selben Verlag erschienene erste vollständige lateinisch-deutsche Edition (2017) bekannt ist,[6] er sogar ahnungslos aus der Continuatio I zitiert, weil er (wie auch Cassegrain) nicht bemerkt hat, dass dreimal Teile aus ihr (Cont. I 4,10-14; 16-30; 31-36 Dräger) mit der Canonizatio Symeonis (Heinz 72-77) identisch sind (da es sich um Briefe Poppos sowie des Papstes Benedikt IX. handelt, stammen sie aus einer Briefsammlung, vgl. Heikkilä 129f.); entsprechende Übersetzungsfehler und Auslassungen Heinz’[7] hätten bei Benutzung meiner (oder Cassegrains) Vorarbeiten leicht vermieden werden können.

 

Zugrunde gelegt hat Heinz allerdings aus nie erklärten (S. 7), m.E. sogar unerklärbaren Gründen eine der ältesten (s. den Überblick S.12), wenn nicht die älteste Edition der Acta Sanctorum überhaupt (Antwerpen 1695, S. 87-107, Stadtbibliothek Trier), nicht etwa die (von mir für diese Rezension nichtsahnend und wie selbstverständlich herangezogene) fast zwei Jahrhundert jüngere Editio novissima (Paris/Rom 1867, Priesterseminar-Bibliothek Trier, S. 86-101) aus seiner früheren Wirkungsstätte (Priesterseminar Trier). So folgt er seiner (obsoleten) ‚archaischen’ Vorlage in einer nur als sklavisch zu bezeichnenden Abhängigkeit: Sein Buch ist (schon ab S. 9 bzw. 14) ‚archaisierend’ durch Hunderte hässlicher ‚Kaufmanns-Und’ (&, in zwei Varianten) überschwemmt. Ähnliches gilt für die Handschriften-Abbreviaturen „q:“ statt que (z.B. S. 28, 60, 76), „-ū“ statt „-um“ (114) oder die e-caudata (ę, statt ee oder ae, 16, 46, 74); die durch Ligatur aus a+e oder o+e entstandenen mittelalterlichen Schreibungen æ und œ mag man ja noch durchgehen lassen. Das alles ist in neueren Auflagen nicht mehr der Fall.

 

Damit nicht genug: Nicht nur werden alle Kursivierungen mitgemacht (was ein sehr unruhiges Seitenbild (S. 14-117) verursacht, das sich in den großformatigen AASS-Seiten eher verliert): Nein, sogar die Inhaltsangaben an den Seitenrändern werden (fehlerhaft: 115f. § 15) reproduziert und übersetzt (Letzteres schon bei Cassegrain, der in seiner Übertragung wie Thomsen gleichfalls den AASS von 1695 folgt), was das – für wissenschaftliche Zwecke durchaus erlaubte – Kopieren einzelner Seiten unnötig erschwert; lediglich die sechs der Seitengliederung dienenden Majuskeln A-F sind – als sinnlos bei anderem Format – fortgelassen, und die originalen Endnoten der AASS erscheinen bei Heinz (nicht bei Cassegrain) als Fußnoten unter dem Text.

 

Am sinnvollsten aber wäre es gewesen, Heinz hätte sich – statt mit dem Generalvikar der Erzdiözese Siracusa auf Sizilien wegen der Weiterexistenz der Simeonstraße in der Altstadt von Syrakus, Symeons Geburtsort (S. 127 Anm. 14), – mit Heikkilä in Verbindung gesetzt: Hat dieser doch nicht nur jahrelange intensive Handschriftenstudien betrieben, sondern parallel zu seiner Dissertation auch eine eigene Edition der Vita et miracula Symeonis erstellt (Heikkilä S. 11, daher wohl der – falsche Erwartungen weckende – lateinische Haupttitel seiner Dissertation), die er, zumal bei seinen Verpflichtungen Deutschland, speziell Trier (Stadtbibliothek/-archiv, S. 10) gegenüber, Heinz sicher zur Einsicht oder Verwendung überlassen hätte.

 

II. Der Kommentar (S. 121-251), gegliedert nach den 43 Paragrafen der Vita et Miracula, die sich auf Prologus und fünf Kapitel verteilen (Pr: § 1; Kap. I: § 2-8; II: 9-14; III: 15-21; IV: 22-34; V: 35-43), ist kein Wort-für-Wort- oder Zeilenkommentar, sondern eine Sammlung von 21 (§ 1-21) penibel recherchierten und dokumentierten Essays (§ 22-43 sind Paraphrasen der Wunder), die kaum eine Frage offen lassen. Allerdings gibt es keinerlei sprachlich-grammatisch-stilistische Erläuterungen[8] oder Bezüge auf besprochene Textstellen – bei Textfragen/Lesarten folgt Heinz stets Heikkilä.

 

Der Didaktik halber ein Beispiel, wie ein sprachlicher Kommentar aussehen sollte: Erklärt werden müssen hätte gleich der erste Satz des Prologus, S. 24f.: Domino & Venerabili Popponi Archiepiscopo, frater Eberwinus, Abbatis nomine indignus, devotos utriusque hominis famulatus, mit Heinz’ Paraphrase: „Dem Herrn und ehrwürdigen Erzbischof Poppo ist Bruder Eberwin, unwürdig, Abt zu heißen, mit Leib und Seele zu ergebenen Diensten bereit“: Gemäß antiker Brieftopik ist ein Prädikat wie ‚dem Poppo <entbietet> Eberwin ergebene Dienste (devotos ... famulatūs) beiderlei Menschens’ zu ergänzen; uterque homo sind die leibliche und geistig-seelische Komponente des homo corporalis und spiritualis [90], nicht mit Thomsen 146 „Frommen beiderlei Geschlechtes dient“, wodurch famulatus zwangsläufig vom Akk. Plur. eines Substantivs der u-Deklination zum (zeitstufenlosen) Perfektpartizip des (unbelegten, nun transitiven) Deponens famulari würde (‚bedienend die Frommen beiderlei Geschlechts’).

 

Blamabel bei den Sacherklärungen (und bereits bei der Übersetzung der Texte) ist jedoch, wie schon bei einem seiner Vorläufer (Franz-Josef Heyen) die Unkenntnis des römischen Kalenderwesens (Muster: stetiges unsinniges „am zweiten Tag der Iden des Mai“, „am 16. Tag der Kalenden des Juli“).[9]

 

III. Das dritte Kapitel „Der Kult des Heiligen. Kanonisation und liturgische Verehrung“ (255-330) ist geografisch zweigeteilt: „Der Kult in Stadt, Erzbistum und Kirchenprovinz Trier“ (255-315) und „Der Kult im frankophonen und deutschsprachigen Raum“ (315-330). Ähnliches Lob wie für den Sachteil des Kommentars gilt auch hier: Es ist eine nützliche und akribische Zusammenschau der Zeugnisse für die Verehrung Symeons (Reliquien und Erinnerungsstücke, Feste und Feiern), wie sie von Heinz’ Vorgängern zusammengetragen worden sind, worüber die Anmerkungen mit ihrem hundertfachen „Vgl. ebda.“ akkurat Rechenschaft ablegen: Es handelt sich neben Cassegrain und Heikkilä besonders um Albert Heintz („Der heilige Simeon von Trier. Seine Kanonisation und seine Reliquien“, Trier 1967) sowie besonders um das monumentale Werk Franz-Josef Heyens („Das Stift St. Simeon in Trier“, Trier 2002 [Germania Sacra]).[10]

 

Heinz’ Buch ist – mit seinen nicht wenigen peinlichen Errata[11] zumeist bei lateinischen und griechischen Fremdwörtern; natürlich gibt es auch die üblichen falschen PC-Trennungen[12], Druck- und Interpunktionsfehler (passim) – leider nur schlecht korrekturgelesen.

 

Nicht den Autor Heinz, sondern den Verlag trifft die Kritik, dass (allein aus Kostengründen) die Seiten (und Ränder S. 14-117) zu voll, der Bundsteg zu eng und der Einband zu brüchig ist; es kann nicht Aufgabe einer öffentlichen Bibliothek (beispielsweise der UB Trier) sein, dass – wie bei den im selben Verlag 2017 erschienenen Gesta Treverorum des Rezensenten geschehen – ein Buch zunächst in der hauseigenen Binderei nachbearbeitet, das heißt letztlich: neu gebunden werden muss, bevor Studenten und andere Interessierte es ausleihen können; Auflösungserscheinungen zeigt im Übrigen schon mein Rezensionsexemplar. Druckereien in Tschechien oder Ungarn arbeiten deutlich kostengünstiger – und trotzdem qualitätsvoll.

 

Angesichts des Noch-Fehlens eines vergleichbaren (deutschen) Konkurrenzprodukts sowie der Tatsache, dass der Verfasser mit seinem bedenklichen Faible für total veraltete Textausgaben kein Philologe (der wenigstens hätte herangezogen werden müssen), sondern Theologe ist, sei „St. Simeon in der Porta Nigra zu Trier“, auch an seiner letzten Ruhestätte (Krypta der Pfarrkirche St. Simeon in Trier-West, s. das Umschlagbild und S. 5f.), willkommen![13]


 

[1] Tuomas Heikkilä: Vita S. Symeonis Treverensis. Ein hochmittelalterlicher Heiligenkult im Kontext (Annales Academiae Scientiarum Fennicae; 326). Helsinki 2002, passim (wegen Verwechslungsgefahr des Anfangsbuchstabens kürze ich „Heinz“ nicht ab).

[2] Die Synopse ist des Öfteren gestört (S. 14f., 18f., 24f. usw.).

[3] Olivier Cassegrain: Vie de saint Syméon, reclus à Trèves. Mémoire de maîtrise. Université de Paris IV Sorbonne, UFR d’Histoire, Année de 1992-1993, S. 2-53 (s. Heinz 129 mit Anm. 18; Heikkilä 292).

[4] Peter Thomsen: Der heilige Symeon von Trier, in: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 62, 1939, S. 144-161 (s. Heinz 126 Anm. 12; 347; Heikkilä 317).

[5] S. 54f. § 33 rependo nicht als Gerundium/Partizip erkannt; 56f. § 33 Surgite; § 34 „[geschah es]“ Konstruktion nicht erkannt (Hauptsatz adhaerebat); 58f. § 37 Quantum est („Was ist los“); 60f. § 40 lecto affixa jacebat „lag, ans Bett gefesselt“ statt Heinz „lag, ... heimgesucht, zu Bett“; 64 § 42 nocte intempesta „in unzeitiger Nacht“ statt Heinz „des Nachts“.

[6] Heinz 343 verrät der falsche Schrifttyp (s. auch PD 318) die nachträgliche Aufnahme in sein Literaturverzeichnis; Heinz 122 Anm. 3 zitiert sie einmal als Alibi, bleibt ansonsten (195-200) für die Gesta Wyttenbach treu (1836, Heinz stets falsch 1886; Waitz MGH kennt er gar nicht); zersplitterte Hinweise auf die Gesta S. 191-199; besser Heikkilä 127-130.

[7] S. 73 § 5 (credere debeamus) lies „schenken dürfen“ („devons croire“); S. 75 § 6 (se in veritate quaerentibus) lies „die ihn in Wahrheit Suchenden“ („qui se cherchaient“); weiter unten sind die neun Wörter ad iniquitates pravorum hominum debellandas, ac spirituali gladio puniendas nicht übersetzt (Cont. I 4,23: „um die Unbilligkeiten falscher Menschen niederzukriegen und mit dem geistigen Schwert zu bestrafen“; Cassegrain 27); S. 77, § 6 fin. (cum vestra benignitas inde sit profusior, unde est sanctior) lies (Cont. I 4,30) „weil eure Güte von dort verschwenderischer ist, von wo sie heiliger ist“ („car ...“); S. 77 § 8 (ostenditis, gelesen als ostendistis) lies als Präsens „vorstellt“ („montrez“).

[8] Cassegrain (7: „moi, frère Eberwin, ... offre mon service dévoué en ces deux noms“) liest bzw. konjiziert offensichtlich nominis statt hominis.

[9] Z.B. S. 67, 109, 111 und passim (Kalenden, Nonen und Iden sind je ein Monatstag).

[10] Doch zum Rückgang des Symeon-Kults in Trier (S. 290f., wo aber neben den sieben Senatoren die vier vornehmen Trierer fehlen) durch Konkurrenz mit der aufkommenden Verehrung der Pauliner Märtyrer s. jetzt Rez.: Historie der Trierer Märtyrer. Hg., zum ersten Mal übersetzt und kommentiert, in: Kurtrierisches Jahrbuch 59, 2019, S. 11-108 (im Satz).

[11] Z.B. S. 81 „dem Kop-tisten“ (des Rezensenten erster Gedanke waren Kopten, s. 156 u.ö.); 107 „der Dekreatalien“ (Decretorum, ‚Dekrete’); 121 „Accademiae“; 136 „Authorität“; 145 Anm. 50 „Apophtegmata“; 159 „Anhängigkeit“; 167 „Der Bericht ... nimmt Eberwin zum Anlass“, 197/349 „Reliquar“ (richtig 222 Anm. 221; 339); 205 Anm. 199 „Litugica“; 213 Anm. 212 „Totenmomoria“; 259 „Gallerie“; 283 „am Vortrag“ (statt „Vortag“; 339 „obligatora“ (statt „obligatoria“); 346 s.v. Miller: „Gerotikon“ (statt „Gerontikon“).

[12] Z.B. S. 36 su-sceptus, 48 po-terat, 50 su-scepisset, 54 quod-am, 58 obs-curam, 72 fuer-ant, 92 Ab-rahami, 132/136/141 Kons-tantinopel, 52/189/191/198/333 Sym-eon.

[13] Vgl. auch die enthusiastisch-kollegiale Gefälligkeitsbesprechung durch Kunsthistoriker Richard Hüttel im „Trierischen Volksfreund“ vom 29. November 2018, S. 23.

 

(4) Dräger (2012) zu Kaffarnik (2011)

 

Annastina Kaffarnik: Querela magistri Treverensis. Neuedition, Übersetzung und Kommentar. Mit einer Beschreibung der Handschrift Bruxelles, BR 10615-729 (Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters. Herausgegeben von Peter Stotz; 46). Bern [u. a.]: Peter Lang 2011. Broschiert, 425 S.

 

Der Albtraum jedes (zumal dem horazischen nonumque prematur in annum [Ars poetica 388] erliegenden) Doktoranden – hier könnte er wahr geworden sein: Kurz vor Publikation (gemäß Verlagsauskunft Erstauslieferung im August 2011) der Dissertation (Halle-Wittenberg 2008) erscheint ein Konkurrenzunternehmen, das alles vorwegnimmt: ‚Klage des Magisters Paulinus (Querela magistri Paulini)’. Herausgegeben, zum ersten Mal übersetzt und kommentiert von Paul Dräger, in: Kurtrierisches Jahrbuch 50, 2010, 65-148 (zusammen mit dem Trierischen Jahrbuch am 21. November 2010 in Trier der Öffentlichkeit präsentiert, doch auf meiner Homepage wie üblich bereits ein Jahr zuvor angekündigt und somit durch Suche im Internet leicht auffindbar). Das heißt, dieses Thema war wie alle einschlägigen Trevirica von mir, zumeist auf Anraten Michael Embachs, längst ‚okkupiert’. Was macht man nach geschätzt fast zehnjährigem Brüten als düpierte Promovendin (AK, Jahrgang 1974; vorher Bonner Magisterarbeit)? Den Vorgänger (PD) ignorieren, das heißt gar nicht erwähnen, dazu das Vorwort vordatieren („Dezember 2010“); das – vor allem von mir – begehrte Prädikat ‚Erste deutsche Übersetzung’ konnte natürlich nicht mehr beansprucht werden (so lautet der Untertitel eben „Neuedition, Übersetzung und Kommentar“). Doch ob nur fiktives oder – wofür einiges spricht (siehe unten) – wahres Szenario:

 

Nach ‚Vorwort’ (V-VI) und ausführlichem (von „1.1“ über „1.5.11“ bis zu „6.9“ reichenden) ‚Inhaltsverzeichnis’ (VII-IX) folgen als fünf Hauptteile (1.) ‚Einleitung’ (1-83), (2.) ‚Interpretation und Gattung’ (85-116), (3.) ‚Kritische Edition’ (117-165), (4.) ‚Kommentar’ (167-313), (5.) ‚Beschreibung der Handschrift Bruxell. 10615-729 (315-356), (6.) ‚Exkurs: Die Querela und die Ecbasis cuiusdam captivi (357-386; daran schließen sich ‚Abkürzungen’ (387-395) und ‚Bibliographie’ (397-425) an.

 

Bevor ich mich den relevanten Abschnitten (3 und 4) zuwende, kurz etwas zum Inhalt der Querela (wohl Ende 11. bis Anfang 12. Jh.; vgl. PD 65-68; vorher sind nur zwei ernstzunehmende Arbeiten erschienen[1]): In diesem in 468 leoninischen Hexametern abgefassten Poem, das zu den merkwürdigsten, zugleich am schwersten verständlichen Werken der lateinischen Literatur des Mittelalters zählt, beklagt sich ein römischer Lehrer namens Paulinus darüber, dass er in einem Trierer Stift schmutzigste Küchenarbeit verrichten müsse (wobei er aber Humor, Spott bzw. Selbstironie nicht verloren hat: z. B. jetzt ‚Vieh zerschneiden’ statt früher ‚Schüler [durch Ruten] zerschneiden’). Dorthin strafversetzt worden war er von seiner Unterrichtstätigkeit in Rom, weil er gegen ein bestehendes Prügelverbot Schüler körperlich gezüchtigt hatte. Er wendet sich an verschiedene Personen, die er für genügend einflussreich hält (den Erzbischof von Trier; seinen eigenen römischen, schon länger in Trier lebenden Berufskollegen Petrus <Romanus>; den die Porta Simeonis bewohnenden Trierer ‚Chorbischof’ Winrich; seinen Berufskollegen Gerland von Metz; einen anonymen Kleriker aus Verdun; dazu den Apostel und Trierer Stadtpatron Petrus), ihn aus seiner als entwürdigend empfundenen Lage zu befreien. – Die Diskussion auch nur einer Person (einschließlich der des Autors Paulinus; s. PD 66 f., ähnlich AK 54-68) oder Lokalität (einschließlich deren Personals) würde den Rahmen dieser Besprechung sprengen, zudem in der Kritik einer Edition falsche Prioritäten setzen.

 

Zurück zur Broschüre! Entgegen der Ankündigung auf Umschlag und Titelblatt stößt der noch gespannte Leser zunächst nicht auf Text und Übersetzung der Querela als dem Wichtigsten, sondern wird, bevor er auch nur ein Wort des Originals gesehen hätte, in einer ‚Einleitung’ (1-83) durch einen Wust theoretischer, durch keinerlei Abbildung o. Ä. aufgelockerter (anders PD 67 f.) Erörterungen nicht nur gelangweilt, sondern geradezu indoktriniert bzw. präjudiziert. Das setzt sich in dem Abschnitt ‚Interpretation und Gattung’ (85-116) fort, wo der geduldige Leser unter dem Stichwort ‚Allegorische Verschlüsselung’, womit im literaturtheoretischen Sinne zwei Bedeutungsschichten postuliert werden, gleich zu Beginn Folgendes um die Ohren geschlagen bekommt (85): „Die Beziehung zwischen den beiden Ebenen besteht in allegorischen Verschlüsselungen auf der ersten, deren Sachebene die zweite Ebene bildet; allegorisch, da erweiterte Metaphern oder Symbolisierungen gebildet werden, in denen Details des Bildes in Details des Bedeuteten übertragbar sind“. Das mag verstehen, wer will – ich will und kann nicht, und auch die beiden Hallenser Dissertations-Gutachter Klein und Wollin, die so oft unbegreiflicher Weise Unmögliches haben durchgehen lassen (s. unten), zeigen in ihrer Verneinung der allegorischen Aussage der Querela zumindest gesunden Menschenverstand (92-97; wie mag es beamtenrechtlich um dienstliche Geheimhaltung bestellt sein, wenn, peinlich genug, seitenlang aus den Gutachten, d. h. aus Prüfungsunterlagen, zitiert wird?).

 

Die schleichende stufenweise Demotivierung des langmütigen Lesers setzt sich im (3.) Abschnitt ‚Kritische Edition’ (117-134) fort: Zunächst wird die völlig überflüssige Aufnahme der e-caudata (ę) in den Drucktext zu rechtfertigen versucht. Schon aus didaktischen Gründen und mit Blick auf die Bequemlichkeit des Benutzers – für mich stets oberstes Gebot – sollte (mit Gompf [93] und PD) auf solche Pseudo-Wissenschaftlichkeit verzichtet werden, zumal die Handschrift selbst nicht einheitlich verfährt: Was bringen halbherzige Zwitter wie z. B. 214 patrię vere nostre que (= patrie vere nostre que, ‚klassisch’ patriae vere [s. Gompf, Kuijper, PD; nichts bei AK] nostrae quae)? In sich inkonsequent, bleiben sie im Kommentar (hier S. 234) schon wieder weg. – Nach Bemerkungen zu Verschreibungen und Korrekturen im Codex unicus (117-119) folgen ‚Textkritische Erläuterungen’ (120-134), deren Trennung vom Kommentar für den Benutzer nicht nur unbequemes Hin- und Herblättern bedeutet, sondern auch in sich unrationell bzw. unökonomisch ist; so erscheint z. B. ein Bibel-Zitat von 12 Zeilen Umfang sowohl S. 131 als auch (statt es leserfreundlich z. B. einmal zu übersetzen[2]) S. 251 f. Ja, mehrfach wird im Kommentar gar nicht auf die vorhergehende textkritische Besprechung zurückverwiesen, sondern das dort mehr oder minder gewaltsam erzwungene Ergebnis stillschweigend vorausgesetzt (z. B. Komm. zu V. 248-250, S. 244 f. ohne Hinweis auf [PD: falsch entschiedene] Diskussion zu V. 250 S. 130 f.; oder Komm. zu V. 437-442, S. 303 f. ohne Hinweis auf [PD: falsch entschiedene] Diskussion zu V. 438, S. 134).

 

Wer sich durch das alles tatsächlich hindurchgearbeitet hat und wessen Lust auf das im Titel Versprochene noch nicht gänzlich abgetötet ist (selbst in einer – anderen Gesetzen unterworfenen – Zeitschriftenedition mache ich die Prolegomena in vier Druckseiten ab), erlebt S. 136 f. in den synoptischen Abschnitten 3.4 (‚Text’) und 3.5 ([unzutreffend:] ‚Übersetzung’) gleich mehrere Enttäuschungen: 1) Im Vergleich zu den vorhergehenden ausufernden Ergüssen ist das Wichtigste, der Text, im Druck leserfeindlich mikroskopisch klein gesetzt, natürlich unter der Zwangsjacke der gegenüberliegenden deutschen Paraphrase, die nun einmal fast immer länger ist als das Original. Wie man es geschickter, d. h. platzsparend durch Integration der Zählung, und damit leserfreundlich macht, zeigt die Vorgängerausgabe (PD). – 2) Angesichts der unbegründeten, häufig anderen Positionierung deutscher Äquivalente für pointierte lateinische Wörter (s. unten zu ‚Übersetzung’) stellt sich überhaupt die Frage, warum AK’s Paraphrase nicht einfacher als Prosatext formatiert worden ist. – 3) Text und deutsche Wiedergabe präsentieren sich als ‚rohe und ungeordnete Masse’ (Ovid, Met. 1,7), d. h. ohne Ruhepunkte bietende Absätze und ohne vorhergehende inhaltliche Gliederung (s. dagegen PD 71; AK’s Angabe des Blattwechsels im Codex ist keine sachliche Hilfe).

 

Einzelnes zum Text: V. 365-367 sind in falscher Reihenfolge gedruckt (richtig im Komm. und bei Gompf/PD); bei den (zu Recht schon von Gompf/PD) umgestellten V. 385-392 fehlt bei AK die ursprüngliche Zählung (die Angabe im App. zu[m falschen] V. 390 ist zu kryptisch); im lückenhaften V. 1 (AK: „<…> plena <…> loquela“, „in ausführlicher Rede“) scheint Gompf („<Non rhetor,> plena <recitat qui> castra loquela“; so auch AK’s App.; PD: „<Nicht der Rhetor, der> das Lager in voller Rede <vorträgt>“) den Überlieferungsbefund richtiger anzugeben. d. h. castra steht ganz oder teilweise lesbar im Kodex (wie hätte Gompf sonst gerade auf dieses eigentlich nicht zu erratende Wort kommen können?); die hyper-akribische Beibehaltung von Lacunae auch dort, wo sinnvolle Ergänzungen vorliegen (z. B. ganz oder teilweise noch 71, 141, 212, 282, 352, 422), erweist sich gerade beim Anfangsvers als wenig hilfreich, ja geradezu demotivierend für den Leser. – Ist in V. 122 wirklich flama (so AK’s Text/Komm.; nichts im App.) statt Gompfs flamma überliefert? (369, 373 flamm- bei Gompf/AK; andererseits s. 2 gramaticus bei Gompf/AK); in V. 128 liest Gompf pocior (AK potior). – Wirkliche Fortschritte durch Berichtigung von Lesefehlern Gompfs sind V. 58 (unter UV-Lampe facitis [AK: „Ihr gebt“] statt farcis [PD: „stopfst du“], wo aber Gompf schon unsicher war) und V. 230 (causatus statt causatas); inhaltlich eher irrelevant sind V. 71 (magistro statt Gompfs Plural magistris) und V. 410 (rode statt rude); V. 411 wurde Gompfs Konjektur deserat (statt überliefertem deferat) durch den (den Sinn nicht verändernden) Indikativ deserit bestätigt (doch AK’s App. ist offensichtlich gestört). – Erfolgreich tritt AK für die Überlieferung nur in V. 399 ein (teneant vel in ordine pannas statt Gompfs/PD’s an Ovid Met. 8,189, ausgerichtetem pennas [doch statt AK’s Germanismus „<so dass> sie … die Pfannen in Ordnung halten“ jetzt mit PD: „oder <dass sie> die Pfannen in der Reihe halten]). – Vergeblich sucht AK die Überlieferung zu verteidigen in V. 269 (pugnabat gegen Gompfs grammatisch überzeugendes pungebat); hinter V. 270 (wortreich S. 255-258 gegen Gompfs Lacuna, in der das 4. Beispiel Gregors gestanden haben muss, der sonst für fünf Arten von Völlerei insgesamt nur vier Beispiele brächte); V. 364 (fit gegen Gompfs sit). – Mit eigenen Konjekturen (ich meide sie wohlweislich) überzeugt AK nicht (438 si [parallel zu 439, 440] statt überlieferter Lectio difficilior sit; 137 res est statuta statt Coniugatio periphrastica res est statura ist per se überflüssig).[3] – Misslich ist, dass die vielen Interpunktionsänderungen gegenüber Gompf/PD im App. nicht angezeigt sind (anders PD 98); das mag hingehen, wenn es für den Sinn irrelevant ist (V. 151, 153, 155/157, 159, 167, 184, 185, 207, 208, 296 [Nichtübereinstimmung mit ihrer eigenen Übersetzung], 328 [Kuijper/PD], 404); meist führt es jedoch zu Änderungen in Konstruktion und/oder Sinn, die AK erst im Kommentar bzw. noch nicht einmal dort, sondern entweder gar nicht oder unter ‚Textkritische Erläuterungen’, häufig erfolglos, zu rechtfertigen versucht (V. 6 f. [s. unten], 27 [s. unten], 35, 87, 94, 129 f., 134 f., 144, 161, 195 f., 204, 214 f., 223, 233, 238, 246, 250, 348, 349, 352, 368, 396 f., 405 f., 408, 444, 460, 465 f.), was alles hier unmöglich diskutiert werden kann. – Textkritisch wenig professionell ist das ständige stilistisch falsche „non legi potest“ (ab V. 63, statt „legi non potest“) bzw. „partim legi potest“ ([Latein?] ab V. 1). – Von den im App. verwendeten Abkürzungen habe ich zumindest „s.“ (zu V. 427: = sive? oder = supra <lineam>?) im Siglen- und Abkürzungsverzeichnis S. 135 nicht aufgelöst gefunden.

 

Zur inhaltlichen Richtigkeit und Stilistik der Übersetzung seien zunächst zwei Beispiele vorgeführt; Einleitung (V. 1-7):

 

<Non rhetor,> plena <recitat qui> castra loquela,         [Gompf/PD]

1b  <…> plena <…> loquela                                             [AK]

gramaticus nullus, nunquam dialecticus ullus,

non, quibus in sese prestat sapiencia sedem,

laudant voce pari, quod furva culina paravit

5    et quod lector amat vel lectio mystica clamat.

Actus sanctorum quos dicunt discipulorum

auctores verbi prohibent assistere mensis.

 

In PD’s am Original ausgerichteten Übersetzung (ab 1b AK’s Text):

 

<Nicht der Rhetor, der> das Lager in voller Rede <vorträgt>,

kein Grammatiker, niemals irgendein Dialektiker,

nicht <diejenigen>, denen in sich die Weisheit einen Sitz bietet,

loben mit gleicher Stimme, was die düstere Küche bereitet hat,

(5) wie das, was der Leser liebt oder die geheimnisvolle Lektüre verkündet.

Die Taten der – wie man sie nennt – heiligen Schüler

verhindern, dass sich die Urheber des Wortes an Tische stellen.“

 

Bei AK wird daraus:

 

„… in ausführlicher Rede …,

kein Grammatiker und kein Dialektiker,

keiner derer, denen die Weisheit einen Platz bei sich bereitet,

lobt mit den gleichen Worten, was die rußgeschwärzte Küche zubereitet hat,

5       und das der Lehrer [sic] liebt und der mystische Schriftsinn lehrt.

         Die Apostelgeschichte verbietet, dass diejenigen der Jünger,

         die sie Lehrer des Wortes nennt, bei Tische bedienen.“

 

Der Vergleich zeigt u. a.: V. 1 ist, den Leser allein lassend, nicht ergänzt; in V. 2 ist das Asyndeton durch das lahme „und“ zerstört; nunquam … ullus sind zu falschem (und „kein“ wiederholendem) „kein“ zusammengezogen, nochmals durch „keiner“ (für non) in V. 3 aufgenommen; die verschiedenen Verba prestat (2) und paravit (4) werden beide zu „(zu)bereitet“; ‚Küche’ (culina, 4 u. ö.) wird unterschiedslos auch für popina (32 u. ö.; PD: „Garküche“) gebraucht; et (5) nach pari (4) wird entgegen der im Lateinischen und Deutschen unterschiedlichen Stilistik nach Ausdrücken der Gleichheit, Ähnlichkeit und Verschiedenheit (s. Menge § 507) statt mit „wie“ bzw. „als“ primitiv mit „und“ übersetzt; die auffällige Paronomasie lector/lectio (5) wird nicht nur durch „Lehrer/Schriftsinn“ beseitigt, sondern das deutsche „Lehrer/lehren“ bis zum Überdruss auch für clamat (5: „lehrt“), auctores verbi (7: „Lehrer des Wortes“), doctrinae (11: „Gelehrsamkeit“), studiosus amor (12: „Liebe zur Gelehrsamkeit“) und z. B. in sermone (458: „in der Lehre“) breitgetreten (im Gegensatz zu AK’s Wortschatz[4] steht die deutsche Sprache an Ausdrucksreichtum in nichts hinter der lateinischen zurück); der Relativsatz quos dicunt (5) wird fälschlich auf auctores verbi (7) statt auf sanctorum … discipulorum (6) bezogen, wodurch discipulorum nicht nur zweimal übersetzt wird („Apostel-“ und „Jünger“ [gemeint ist Apg 6,2-4]; dafür fehlt sanctorum), sondern dicunt auch aus V. 6 in V. 7 verschoben wird; mensae (7: „Tische“) wandelt sich in V. 10 plötzlich zu „Speisetafeln“, womit leichtfertig cibus (50, 290) vorweggenommen wird, ebenso wie „bedienen“ für assistere (7; PD: „sich an etw. stellen“) unbedacht in das Wortfeld minister (45, 73 u. ö.)/famulus (40, 284) eingreift (bei AK beides eintönig „Diener“, bei PD ersteres „Aufwärter“); usw.

 

Das 2. Beispiel (V. 20-30), mit noch schwereren Mängeln (AK’s Text; 27 korr.):

 

20 Cantaber et sevus, tribuit qui nomen Hiberus

occiduis terris, Laciis devictus ab armis,

scimus, quod multos dederit tibi, Roma, triumphos.

Sed quid scire valet? Multas, quas Gallia clades

usque sub infaustos doluit superata Britannos,

25  gentes invisas, leges gestare Latinas

quas Marius felix devictas victor adegit,

atque per Emathios prostrata cadavera campos <,>

innumeras acies et cesum Leuchade marte

Ausonio Nilumque sua cum coniuge raptum

30 nobis scire datum.

 

Übersetzung PD:

 

„(20) Der Cantabrer und der grausame Hiberer, der seinen Namen zugeteilt hat

den Ländern des <Sonnen->Untergangs, vollständig besiegt von latinischen Waffen,

– dass er dir, Rom, viele Triumphe gewährt hat, wissen wir.

Aber was vermag es, das zu wissen? Von vielen Niederlagen, über die Gallien

bis zu den unseligen Britanniern hin, überwunden, Schmerz empfunden hat,

(25) von verhassten Stämmen, die die latinischen Gesetze zu ertragen

der glückliche Marius, nachdem sie vollständig besiegt waren, als Sieger gezwungen hat,

und von den über die emathischen Felder hingestreckten Leichnamen,

unzähligen Gemetzeln und dem bei Leukas durch ausonischen Mars Gefällten

und dem zusammen mit seiner Gattin weggerafften Nil

(30) zu wissen ist uns gegeben.“

 

Bei AK wird daraus:

        

20     „Wir wissen, dass der Kantabrer und der wilde Iberer, der dem Land im Westen

         seinen Namen gegeben hat, vernichtend geschlagen von den römischen Waffen,

         dir, Rom, viele Triumphe verschafft hat!

         Aber was nützt es, das zu wissen? Von vielen Niederlagen, über die Gallien, besiegt

         bis zu den glücklosen Britanniern, Schmerz empfand, ist uns zu wissen gegeben,

25     von feindlichen Völkern, die Marius als glücklicher Sieger

         nach ihrer Unterwerfung zwang, die römischen Gesetze zu ertragen,

von den Toten, die in unzähligen Schlachtreihen über die makedonischen Felder verstreut lagen,

         von dem im römischen Bürgerkrieg bei Leukas Geschlagenen,

         und von Ägypten, das mit seiner Gattin dahingerafft wurde.“

30     – [vorweggenommen in 24]

 

Das dreimalige Signalwort scire (22, 23, 30), das den in den sieben freien Künsten Gebildeten (V. 1-3) gegenüber dem in der Küche Tätigen (V. 4) abhebt, steht bei PD jeweils im entsprechenden Vers, bei AK in 20, 23, 24, d. h. zweimal ist es weit vorgezogen – zwar didaktisch richtig gemäß einer elementaren Schulregel (‚Hauptsatz zuerst!’), die aber nicht das Endergebnis einer Übersetzung sein darf, weil sie die spannungerregenden Hyperbata zunichte macht. – Im ‚falschen’ Vers stehen ohne Not auch dederit (21 statt 22) und superata (23 statt 24); 20b und 21a sind ebenso gegeneinander vertauscht wie 25b und 26. – Ein schwerer syntaktischer Fehler (unter vielen später sich häufenden) liegt in innumeras acies (28) vor, das (vorgezogen nach 27) zu einer adverbialen Bestimmung wird („in unzähligen Schlachtreihen“), parallel zu per Emathios … campos (27, wo schlicht das Komma fehlt), während es in Wirklichkeit Akkusativobjekt zu scire (30), parallel zu Multas … clades (23), gentes invisas (25), prostrata cadavera (27), cesum (28; gemeint ist Antonius) und Nilum … raptum (29) ist (der Komm. gibt wie fast immer keinerlei Hilfe). – Die semantisch-paronomastische Juxtaposition devictas victor (26; PD: „nachdem sie vollständig besiegt waren, als Sieger“) wird in beiden Punkten zerstört („als Sieger | [Versgrenze] nach ihrer Unterwerfung“; schon in 21 war devictus verfälscht zu „vernichtend geschlagen“). – Infaustos (24, „glücklosen“) wird im Deutschen semantisch auf eine Stufe gezwungen mit felix (26, „glücklicher“; PD: „unseligen“ bzw. „der glückliche“). – Die versimpelnde Übersetzung von Lacias (21) und Latinas (25) mit „römischen“ führt zur Überschneidung mit 28 f., wo das erlesene (marte) | Ausonio gleichfalls mit „römischen (Bürgerkrieg)“ (28) wiedergegeben wird (dazu schon 22 Roma); Ähnliches gilt für „makedonischen“ (27: Emathios – spätestens jetzt tritt Lukans Proömium als Quelle hervor). – Der willkürliche Ersatz von Nilus (29) durch „Ägypten“ erzeugt die Paradoxie, dass nun die Nymphe (wegen der ja Länder, Inseln und Städte auf –us im Lateinischen feminin sind) „mit … Gattin [cum coniuge; gemeint ist Kleopatra, aber als Gattin des Flussgottes Nil] dahingerafft wurde“; usw. (Diese Kritik könnte fast von Vers zu Vers fortgesetzt werden – außer dort, wo AK nach dem Vorgang PD’s übersetzt, s. unten). – Schulmäßige Versimpelung lateinischer Perioden z. B. auch V. 78-82 (beide Rahmenverse enden mit surgat), 113-117, 166 f., 213-219, 267 f., 413-415; blindes Herumraten z. B. V. 190, 309 f., 437 f.

 

Außer zu 1-7 und 20-30 finden sich im Übrigen Übersetzungsfehler zuhauf (zur Begründung s. in der Regel meinen Komm.), z. B.: 19 penas solvisti domnae, quas ante dedisti: „(du) der Herrin die Strafe gezahlt hast, die du <ihr> vorher auferlegt hast“ (PD) statt „(du) deiner Herrin Buße zahltest, wie du sie davor schon [?] geleistet hattest [?]“ (AK, aus Gompf); 61 coxas: „Hüfte“ (PD) statt „Haxen“ (AK); 31 re vel voce: „durch die Sache oder durch die Stimme“ (PD) statt „mit Wort und Tat“; 70 pugne nostrorum … cocorum: „dem … Kampf unserer Köche“ (PD, s. 42-44) statt „dem Kampfe der Unsrigen … mit den Köchen“ (AK; Komm. „Kampf der Unsrigen [d.h. der Brüder] untereinander“, was jedoch nostri in der Querela nie bedeutet); 78 questio: „eine Untersuchung“ (PD) statt „eine Klage“ (AK, doch questio/quaestio steht nie für querela); 76 Salemon iubet …? Cavendum: „Befiehlt Salomon …? Man muss sich hüten“ (PD, est zu ergänzen) statt „Rät etwa Salomon …? Er rät zu verhüten“ (AK, mit unbegründbarer Ergänzung von iubet … esse); 85 Concedent: „Werden … einräumen“ (PD) statt „Würden … erlauben“ (AK); 87 f. tua … doctrina, Boeti, | Metrica, quid †magni decreta Camilli† (Gompf/PD): „deine metrische Gelehrsamkeit, Boethius, [d. h. die Carmina-Einlagen der Consolatio] | was [†die Entscheidungen des großen Camillus†?]“ (PD) statt „deine Philosophie, … Boethius? Was … die metrische …“ (AK; Text: Poeti? | Metrica quid †magni decreta Camilli†); im Übrigen sah schon Gompf S. 94 je neun (PD: der Zahl der Musen entsprechende) heidnische (V. 84-92) und christliche (101-120) Autoren, AK S. 197-199 kommt auf acht ‚Heiden’ bzw. elf ‚Christen’; 94 f. Ut coculis assis vacet et sartagine passis, | Servet et infectas vel mundet odore patellas (Gompf/PD): „dass er für Braten Zeit hat, der in Kochgeschirren und einem Tiegel gelitten hat, | und <dass er> verschmutzte Schüsseln bewahrt oder vom Gestank reinigt“ (PD) statt „sich dem im Topf Geschmorten zu widmen, seine Zeit dem in der Pfanne Gebrutzelten zu schenken, | und überdies die schmutzigen Schüsseln vom Gestank zu säubern“ (AK, ohne Komma nach passis und mit unbegründeter Ergänzung von operam zu 95 servet aus 96 operam servabit); 106 vacuet numerosa volumina: „(Hieronymus) soll die zahlreichen Bände entleeren“ (PD, d. h. zum Palimpsest abschaben) statt „(H.) verwerfe [?]“ (AK); 129 ut videat semper ne quis custodia peccet: „auf dass eine Wache immer sieht, damit nicht jemand sündigt! (PD) statt „[…] um stets dafür zu sorgen, dass sein Hüten nie versagt“ (AK, mit Komma hinter semper, und quis = quīs = quibus, d. h. <ali>quibus horis = „in irgendwelchen Momenten“: abwegig und zum Stil der Querela nicht passend); 135; in dubiis rursum liceat modo querere iustum (Gompf, Nebensatz): „mag <das Reitpferd> nur auch in zweifelhafter Lage wieder den richtigen <Lehrer> suchen“ (PD) statt „Soll es nur versuchen, sich in Gefahr wieder einen gerechten Meister zu suchen!“ (AK [„ironisch gemeint“], Hauptsatz); 150 massa: „mit einer <Fleisch->Masse“ (PD; in der Querela nur hier, vgl. Kuijper 40 [‚Wildbret’; falsche Angaben bei AK 212 Anm. 466]) statt „mit Brennholz“ (AK; vgl. Gompf: „= mensa … oder ‚Teig’“); 169 per plurima dona: „vermittels sehr vieler Gaben“ (PD) statt „durch viele Gaben“ (AK); 186 f. Nam puer et iuvenis seu, littera quem docet, omnis | perficit ille: „Denn der Knabe und der Jüngling oder jeder, den der Buchstabe lehrt, | jener vollendet“ (PD) statt „Denn als Knabe und Jüngling durchläuft jener [Lehrer], so wie jeder, den der Buchstabe lehrt“ (AK, „ille nimmt magistrum in v. 184 auf“, das sie in 186 dann ergänzt); 194 in quibus … permeat: „in denen … wandert“ (PD) statt „damit auf ihnen … gelangt“ (AK, Konjunktiv?); 220 Tu quoque … domnus prelatus: „Auch du, … als Herr vorgezogen“ (PD, Prädikativum) statt „Auch du, Herr Bischof“ (AK, Vokativ? auch 221 pontificum splendor AK „du der Bischöfe Glanz!“); 232 f. quilibet officium capiat bene doctus utrumque, | servet ut ille scolas et mensas ordine ponat: „soll jeder beliebige gut Gebildete beide Pflichten ergreifen, | auf dass jener die Schulen bewahrt und die Tische der Reihe nach aufstellt“ (PD) statt des völlig chaotischen, die Syntax nicht erkennenden „dann kann es wohl jedem beliebigen Lehrer, auch wenn er hochgelehrt ist, geschehen, dass er beide Dienste antreten | und aufpassen muss, dass er Schulstunden und Speisetafeln in die richtige Ordnung bringt“ (AK, verursacht durch ein falsches Komma hinter servet, das zudem den Chiasmus auflöst); 238 f. Sed Christos Domni despectu prorsus ab omni, | vox divina vetat, Deus hac in voce prophetat: „Aber der Gesalbte des Herrn, entfernt von jeglicher Verachtung, | die göttliche Stimme verbietet <es>, Gott prophezeit in folgender Stimme“ (PD) statt des völlig auf den Kopf gestellten „Aber die Stimme Gottes verbietet, dass die Gesalbten des Herrn | von irgendjemandem verachtet werden, Gott sagt in diesem Wort voraus“ (AK, nach vorheriger Misshandlung der Grammatik: despectu = despectui, zu ergänzen haberi, ohne Komma nach ab omni, das zudem isoliert wird); 241 f. si quis et infaustum vobis extenderit actum, | tradet et hic: „wenn jemand auch eine unselige Tat über euch ausgebreitet haben wird, | wird dieser auch <das> weitergeben“ (PD) statt „wenn jemand einen unglückbringenden Akt, der gegen euch gerichtet ist, weiter fortsetzt, | wird er dabei auch fortsetzen“ (AK, mit syntaktisch fragwürdigem infaustum … vobis actum; vgl. tendere alicui, so von Gompf in 141 ergänzt); 246 quod gemitus prestat, simulata voce sequestra | suplico („ersuche ich um das, was das Stöhnen leistet, mit ähnlicher vermittelnder Stimme“ (PD; vgl. Kuijper und 4 voce pari, „mit gleicher Stimme“) statt des auf prosodischer (simulata Akk. Plur. neutr. statt Abl. Sing. fem.) und grammatischer Inkompetenz (konsekutives quod?; prestat mit Akk., daher ohne Komma, s. Gompf) beruhenden „dass ein Stöhnen Worte übertrifft, die durch Vermittlung der Stimme geheuchelt sind“ (AK, mit Komma nach sequestra, s. Gompf); 250 (Parcite)ossibus atque cuti, morbis, precioque salutis: „Schont jetzt … die Knochen und die Haut, die Krankheiten und den Preis für das Heil!“ (PD, mit cod.; gemeint ist mit Kuijper der Ärztelohn) statt „(Verschont) unsere Krankheiten an Knochen und Haut, kurz den, der nicht mehr gesund ist!“ (AK, mit Gompfs in ihrem Komm. nicht deklarierter Konjektur privo und ohne Komma hinter cuti, für das dann cute zu erwarten wäre oder die Übersetzung „Schont Knochen und Haut hinsichtlich Krankheiten“); 253 Alterius ritu gentis: „durch den Brauch eines anderen Stammes“ (PD) statt unnötigem „von den Bräuchen eines feindlichen Volkes“ (AK); 255 primam … vitam: „ihr erstes Leben“ (PD, d. h. früheres) statt „irdisches“ (AK); 259 et temerare boni gustu ieiunia voti: „und (dass die Küche) das gemäß einem guten Gelübde <eingehaltene> Fasten [boni … ieiunia voti] durch Genuss [gustu] befleckt“ (PD) statt „und (dass die Küche) das zum Gelübde gehörende Fasten [ieiunia voti?] durch den Genuss erlesener Speise [boni gustu?] entweihen solle“ (AK); 299 detrahit officium pueris: „entzieht ihre Pflicht den Knaben“ (PD) statt „entzieht dem Lehrer seine Aufgabe bei den Knaben“ (AK, die magistro aus magistrum zu detrahit ergänzt, so dass ein grammatisch unmöglicher Nominalblock officium pueris übrig bleibt); 331 Accelerant nostri faciuntque, quod ante, ministri: lebhaftes „Herbei schnellen und machen, was sie früher <gemacht haben>, unsere Aufwärter“ (PD) statt lahmem „Unsere Diener eilen, zu tun, was sie auch vorher getan haben“ (AK); 338 vellent: „(sie) würden wollen“ (PD) statt „(sie) wollen sogar“ (AK); 341 f. Extitit, hoc factum studio qui crederet actum, | maior: „Es stand <jemand> auf, der glaubte, dass diese Tat mit Eifer ausgeführt worden sei, | ein Älterer“ statt „Er blies sich auf [= existere maior], weil er glaubte, dass diese [hŏc?] Tat durch diesen [c?] seinen Eifer geschehen sei“ (AK, mit Verkennung von Gompf/Kuijper); 348 (Text Gompfs) Aut quis de minima numquam deferveat ira?: „Oder wer dürfte niemals mit dem geringsten Zorn zu brausen aufhören?“ (PD) statt „Oder wollte jemand sagen: ‚Sollte ein Zorn über so Geringfügiges niemals verbrausen?’“ (AK, mit doppelt misshandeltem Text: aut quis [scil. dicat]: „de minima [scil. re] nunquam deferveat ira? | …“); 367 (AK fälschlich 365) quos … iurgant … magistri: „die <Aufwärter> die Lehrer … beschimpfen“ (PD) statt „und sie die Küchenmeister … ausschelten“ (AK, gemeint „und die Küchenmeister sie (nämlich die Aufwärter) … ausschelten“; 368 Offuscant larvas … , barbas: „Sie verdüstern die Masken …, die Bärte“ (PD) statt „Sie schwärzen die Bärte zu Fratzen“ (AK); 381 f. atque | secum pertractet: „und (die Masse dürfte) mit sich behandeln“ (PD) statt „und wenn es (das Volk) ihn (den Rauch [?]) auch überall an sich ertastet“ (AK; Komm.: atque „konzessiv“; pertractare secum „bei sich bedenken“); 408 … heu gratum non cognoscendo reatum: „… – ach! –, dadurch dass man nicht den willkommenen Vorwurf erkennt“ (PD) statt „die, oh weh, dieses als willkommen, nicht als Anlass für einen Vorwurf erkennen“ (AK, mit nirgendwo begründetem, d. h. willkürlichem Komma hinter gratum); 409 et quantis aspersa malis vacet actio talis: „und (man) <erkennt>, mit wie großen Übeln überhäuft ein solches Handeln leer ist“ (PD) statt „und (die [Knaben]) erkennen, von wie vielen Übeln diese schmutzige [?] Tätigkeit frei ist“ (AK); 413 portam Symeonis turribus altam: „das Tor Symeons …, das durch Türme hohe“ (PD) statt „die mit hohen Türmen geschmückte Porta Simeonis“ (AK); 418 Cuius opes dignas scrutatur Gallica lingua: „dessen gallische Sprache untersucht würdige Schätze“ (PD) statt „Seine würdigen Reichtümer durchforscht die französische Sprache“; 442 quid preponatur vel in ordine iure sequatur: „was vorangestellt wird oder in der Reihe mit Recht folgt“ (PD) statt „was nach den syntaktischen Regeln [in ordine iure?] vorangesetzt wird und was folgt“; 443 littera que primam rem ponat, que ferat imam: „welcher Buchstabe die erste Sache hinstellt, welcher die unterste [d. h. letzte] bringt“ (PD, zur gemeinten Orthographie s. nächsten Abschnitt) statt „welchen Teil ein Buchstabe als erstes, welchen als letztes setzt“ (AK; Komm.: que „Akk.“, was zu stilistisch untragbarem Latein führen würde, wörtlich: „was ein Buchstabe als erste Sache hinstellt, was er als letzte bringt“); 463 ut probat effectum: „wie die Wirkung beweist“ (PD) statt „so dass sie Erfolgt zeigt“ (Komm.: „Konsekutivsatz“ [mit Indikativ?]); 464 pietate fovens: „indem (Christus die Jugend) mit Frömmigkeit hegt“ (PD) statt „von ihm mit Gnade beschenkt zu werden“ (AK, bei der „Gnade“ schon im nächsten Vers wie bei PD gracia ist, auch z. B. noch 165, 177); 468 Romanis mecum … consule rebus!: „sorge … mit mir für die römischen Angelegenheiten!“ (PD) statt „und schaffe … für die römische Sache und mich Rat!“ (AK).

 

Dazu gesellen sich im Kommentar Fehler zu Erklärungen, die im Widerspruch zur Übersetzung stehen, d. h. ohne die man die Übersetzung wenigstens inhaltlich (nicht stilistisch) einigermaßen akzeptieren könnte, z. B. (ich wähle die schreibtechnischen und grammatischen Passagen): 125 f. (polemische Aufforderung): non linea punctis | in discernendis faciat discrimina verbis (AK: „keine Linie ermögliche es | mit Punkten, Unterscheidungslinien zur Abtrennung der Wörter zu ziehen“, womit offenkundig senkrechte gepunktete Linien zwecks Auflösung der Scriptio continua gemeint sind, s. PD’s Komm.); in AK’s Komm. heißt es dagegen: „Eintragen von gepunkteten Linien, die mit Nadeln an den Seitenrändern in gleichmäßigem Abstand senkrecht eingestochen wurden, um das gerade Ziehen der Zeilen zu erleichtern“). – 439: si speciem primam teneat vox vel fluitivam (AK: „ob ein Nomen [?] seine erste Erscheinungsform beibehält oder sie wechselt“, womit offenkundig der Unterschied zwischen unveränderlichen [z. B. Interjektionen] und flektierbaren [deklinier-/konjugierbaren] Wörtern gemeint ist, s. PD’s Komm.); AK schließt sich dagegen unbedacht Gompfs falscher Ausflucht auf „Heteroklita“ [wie loci/loca] an. – 441: sint affirmantes voces aut facta negantes (AK: „<ob> Aussagen [?] Handlungen bejahen oder verneinen“, womit offensichtlich Wörter wie immo, quin oder non, ne gemeint sind, s. PD’s Komm.); AK dagegen banal: „positive und negative Aussagen“). – 442: quid preponatur vel in ordine iure sequatur (zur Übersetzung s. oben): Gemeint ist offenkundig die Wortstellung (s. die Reihenfolge der Verben und PD’s Komm.); dagegen AK apodiktisch „Syntaxlehre“. – 443: littera que primam rem ponat, que ferat imam (zur Übersetzung s. oben): Gemeint ist offenkundig die richtige Anordnung der Buchstaben von vorn nach hinten, d. h. die Orthographie (s. PD’s Komm.); AK’s Komm. „in welcher Abfolge die Schäfte und Bögen geschrieben werden“ dürfte ein aus ihrer falschen Übersetzung resultierendes Phantasiegebilde sein (noch Unsinnigeres, nämlich Bezug auf die Ars dictaminis, in Anm. 667 S. 305 f.). – 444: ut scriptura suis sedeat bene compta figuris (AK: „damit die Schrift mit ihren Zeichen schön gefügt dasteht“): Damit ist offenkundig (als neues Thema: daher ut besser „wie“) die Kalligraphie gemeint (s. PD’s Komm.); AK’s Bezug von 444 als Finalsatz („damit“) zu 443 widerspricht der parataktischen Gesamtstruktur des Passus 437-444, der nur aus Nebensätzen 1. Grades (indirekten Fragen) besteht.

 

Weitere Defizite im Kommentar: V. 123 (auctores cuncti pressi mergantur in undis) wird in metrischer Unkenntnis als „Versus spondiacus“ bezeichnet, d. h. der 5. Fuß (hier fett) müsste aus zwei Längen bestehen (s. Crusius § 56), und das ist gerade nicht der Fall; eine solche ‚Rarität’ hätte im Übrigen auch unter „Metrik und Prosodie“ (s. 22-24) erwähnt sein müssen.[5] – Zu 263 muss es vollständig heißen quaelibet, quae. – Zu 276 Hoc igitur cetu melius caruisse videtur (NcI bei videri) heißt es im Komm. allen Ernstes „(scil. eum)“ (statt is).[6] – Zu 337 wird apodiktisch konstatiert „quibus = a quibus“, zu 463nobis = a nobis“ (statt korrekt poetischer Dativi auctoris). – Zu 385 wird deiktisches hoc(*ce) als Akkusativ prosodisch erläutert, ohne Hinweis auf 354, wohin es gehört hätte. – Hinweise auf Ottos Sprichwörter fehlen zu 35 (Otto s. v. digitus 8); 363 (s. v. niger) und 386 f. (s. vv. silva 1; oleum 2).

 

Wirkliche Fortschritte im Textverständnis vermag ich (außer zu pannas 399, s. oben) nur noch einmal zu erkennen, 387 (bei AK fälschlich 390) si nullis horum maneat censura colorum (AK: „wenn keinem von ihnen eine Strafe für seine Haarfarbe drohen soll“; nichts dazu bei Gompf/Kuijper; PD olim: „Der Sinn bleibt dunkel“). Die Entscheidung in 17 (Karthago … alta) zwischen „groß geworden“ Gompf/AK; scheinbar favorisiert durch die Wortstellung) und „hohes“ (Kuijper/PD) ist keine wirkliche Alternative, da es sich etymologisch um dasselbe Verb (alere) handelt (s. schon PD’s Komm.). Wo AK sich gegen Gompf, Kuijper oder (unausgesprochen) PD stellt, sind ihre eigenen Erklärungen genauso unbeweisbar oder spekulativ wie die ihrer Vorgänger (z. B. zu 359, 361 f., 363 f., 368, 396, 465 f.), ja, häufig stellen sie sogar Rückschritte dar (z. B. zu 341 f., 348), besonders dann, wenn eine bereits vorliegende andere Auffassung gar nicht genannt wird (z. B. zu 349, 377-379 [wo Kuijpers sinnvolle, auf zwei AT-Stellen gestützte Deutung unbekannt ist], 406, 408).

 

Weiteres zur ‚Übersetzung’: Originale auffällige Wortstellung wird notorisch beseitigt, besonders pointierte Positionierung am Versanfang (z. B. 31, 45, 57 [dorsum], 90, 91, 192, 215, 288, 300, 315, 320, 331, 372, 412, 417, 442) und Versende (z. B. 45, 59, 70, 73, 74, 158, 321, 332, 336); beides zusammen z. B. 308 f. (novene; | sex), Dazu gehört auch die Zerstörung der meisten Hyperbata, d. h. die gewaltsame Zusammenziehung entweder zweier im selben Vers getrennter Wörter (z. B. 59 Lumborum … meliorum; 112 pugnas … almas; 285 sacerdoti … et … nobis; 346 Detractare … nec ledere; 413 portam … altam) oder von Wörtern, die im Original zwecks Hervorhebung offenbar bewusst durch die Versgrenze getrennt sind (z. B. 106 f. volumina … | edita; 143 f. omnis | virtus; 248-250 nostris … | annis et canis …; 302 f. huius | noticie; 311 f. partibus | … cesis; 369 f. novam … | materiam; 372 f. igneus … | inpetus; 423 f. huius | aule; ), aber sich bei AK anfängerhaft versimpelt im selben Vers finden. Das lässt im Zusammenhang mit dem oben Gesagten die Frage aufkommen, warum AK überhaupt für ihre bestenfalls Nacherzählung oder Paraphrase zu nennende Eindeutschung die Pseudo-Versform, d. h. Anordnung in Zeilen, gewählt hat; Prosa-Blocksatz hätte sogar den typographischen Vorteil gebracht, dass Text und Übersetzung zur Bequemlichkeit des Lesers in derselben Schriftgröße wie Einführung, Kommentar und alles Übrige geboten werden könnten.

 

Nicht mehr wundert es dann, dass auch andere Wort- und Gedankenfiguren des stilistisch reichhaltigen Originals systematisch gefühl- und gnadenlos zerstört werden, wie Anapher (z. B. 90-92), Asyndeton (298 f., 334 f., 431 [jeweils unnötiges „und“]), Chiasmus (67, 233, 234, 429), Figura etymologica (157 forma … conformat in alma, AK: „nach seinem göttlichen [?] Bild gestaltet hat“), Polyptoton (51 f. cepit/ceperit; 226 dolor, qui dat monimenta dolorum, AK: „Schmerz, der bleibende Erinnerungen hinterlässt“; PD: „Schmerz, der Erinnerung an Schmerzen gibt“; 239 vox divina … hac in voce, AK 238 f.: „die Stimme Gottes … | … in diesem Wort“; 322 rapiens/raptum, AK: „rafft/Beute“; 413 f. altam/alto, AK: „hohen/oben“; 427 f. dicere/dicite/dictum, AK: „zu sagen/sagt/Spruch“) oder Polysyndeton (262 f.: durch Weglassen[7] von vel … vel Asyndeta). Besonders bedauerlich ist das bei den vielen paronomastischen Wortspielen wie z. B. 132 f. utilis … | usu (PD: „nützlich … durch Nutzung“; AK „nützlich … durch Reitpraxis“), 161 f. utimur … | utimur (PD: „gebrauchen wir … | gebrauchen wir“; AK 160 f.: richten wir … | uns … | setzen wir“), 167 f. mundi | … mundant (PD: „der … <reinen> Welt, | die … reinigen“; AK: „der Welt, | die … rein machen“, ohne Hinweis im Komm. auf mundus ~ κόσμος), 198/200: consors/exors (PD: „anteilhaftig/unteilhaftig“, AK: „teilhaftig/unkundig“), 231 precipitatque meum caput (PD: „meinen Kopf kopfüber stürzt“, AK: „und über meinen Kopf … hinwegstürzt“), usw. Dahin gehört auch die in 16 furcas Gaudinas liegende Ambivalenz (AK trotz ihrer generellen Allegorie-These rein oberflächenstrukturell, d. h. militärisch: „von den Caudinischen Pässen“; PD: „die Caudinischen Gabeln“, mit Blick auf die Küchenschlachten V. 68-70 und die zweizinkige Fleischgabel 453 f. [furca]).

 

Selbstverständlich genügt es nicht, apodiktisch in den Komm. zu schreiben „Paronomasie“ (z. B. zu 61) oder „Alliteration“ (z.B. zu 215-216 [wo zudem die Paronomasie 214/216 patrie/patrum durch „Heimat/Väter“ verdunkelt ist], 224-226); didaktisch gehört die Erklärung der Funktion dazu.

 

Während die Verf. (2011) in der Regel nur paraphrasiert oder nacherzählt, stimmt sie dort, wo sie wirklich übersetzt, häufiger, als es Zufall sein kann, mehr oder minder wortwörtlich mit dem Rez. (2010) überein, wie zehn Beispiele allein aus den letzten circa 50 Versen beweisen:

 

435 ut doctos parce pueros perducat ad artes

PD: „auf dass er die spärlich gebildeten Knaben zu den Künsten führt“;

AK: „auf dass er die spärlich gebildeten Knaben an die Künste heranführe“;

 

436 ut studeant veris et discant falsa vereri

PD: „auf dass sie sich um das Wahre bemühen und lernen, das Falsche zu scheuen“;

AK: „damit sie nach dem Wahren streben und lernen, das Falsche zu scheuen“;

 

440 si verbum passum doceat …

PD: „ob das Verb lehrt, dass jemand etwas erlitten hat …“;

AK: „ob ein Verb aussagt, dass jemand etwas erlitten habe …“;

 

445 Sitque docendorum cautus grex discipulorum

PD: „Und vorsichtig soll sein die Schar der zu belehrenden Schüler“;

AK: „und <damit> die Schar der Schüler, die es zu lehren gilt, vorsichtig ist“;

 

448 Non presul, magni cui gloria credita mundi

PD: „Nicht der Vorsteher, dem der Ruhm der großen Welt anvertraut <ist>“;

AK: „Nicht der Vorsteher, dem der Ruhm in der großen Welt anvertraut ist“;[8]

 

454 furca magistrorum deponens culmen honorum?

PD: „die Gabel, die den Gipfel der Ehren der Lehrer niederlegt?“

AK: „die Gabel reißt den Gipfel der Lehrerehren nieder?“

 

455 Ei mihi, quanta, Deus, superest confusio rerum

PD: „Weh mir, Gott, eine wie große Verwirrung der Dinge ist vorhanden!“;

AK: „Weh mir, Gott, wieviel an Verwirrung der Dinge ist noch vorhanden!“

 

456 Quam, pater, excelso tranquillam perfice verbo!

PD: „Diese aber stelle, Vater, durch ein erhabenes Wort ruhig!“

AK (unter Verdrehung der Wortstellung): „Mache diese mit einem erhabenen Wort ruhig, Vater!“

 

458 in sermone bonis geminetur ut actio doni

PD: „dass den in der Rede Guten die Abstattung der Gabe verdoppelt werde“;

AK: „dass den in der Lehre guten die Anerkennung verdoppelt werden soll“;

 

466 … votique manet spes nulla futuri

PD: „… und keine Hoffnung bleibt auf die gewünschte Zukunft“;

AK: „und mir keine Hoffnung auf die erwünschte Zukunft bleibt“.

 

In Abschnitt 5 (315-356) folgt eine, wie es scheinen kann, minutiöse Beschreibung der (rechtmäßig nach Trier gehörenden) Handschrift Bruxell. 10615-729, des Codex unicus für die ‚Querela’, der sich derzeitig in der königlich-belgischen Bibliothek befindet. Sie gehörte in das Handschriftenverzeichnis dieser (bzw. einer anderen: Trierer) Bibliothek, bläht an vorliegender Stelle unnötig Umfang und Preis auf, zumal sich nur die letzten zweieinhalb Seiten (353-356; vgl. 341) auf unser Opusculum beziehen; die Wiedergabe wenigstens einer Seite wäre nicht nur hilfreich gewesen (vor allem für die Interpunktion, die bei AK ein Objekt der Willkür ist), sondern hätte zur Auflockerung der abbildlosen Broschüre gedient.

 

Gemäß dem Vorgang PD’s (69 f.) und anderer bringt auch AK (Abschnitt 5: Exkurs; 357-386) einen naheliegenden (aber weitschweifigen) Vergleich der Querela mit der gleichfalls in (1229) leoninischen Hexametern abgefassten Ecbasis cuiusdam captivi (‚Entkommen eines gewissen Gefangenen’), einem allegorischen Tierepos, ja der ältesten auf deutschem Boden entstandenen tierallegorischen Dichtung überhaupt, die anonym im selben Codex Brux. (fol. 187r-191v [Querela: 173r-174v]; s. AK 344) überliefert ist. Der dort in Innen- und Außenfabel auftretende Igel (ericius) hat verblüffende Ähnlichkeit (z. B. Verbannung beider als Römer in eine Küche) mit unserem römisch-trierischen Magister Paulinus und dürfte als dessen literarische Karikatur konzipiert worden sein, was Auswirkungen auf die Datierung der Ecbasis hätte (frühestens Ende 11. Jh.). AK bleibt gegenüber der Rezeptionsthese skeptisch, schließt sie aber nicht ganz aus.

 

Auffällige Defizite im Verzeichnis der Abkürzungen (387-395): Kuijpers Aufsatz (s. oben) wird (390) fälschlich auf 1969 (statt 1970) datiert; unter ‚Orbis Latinus’ (393) lies „unter Mitarbeit von“ (statt „unter Mitarbeiten von“); zu Ottos Sprichwörtern (393) fehlen alle Supplemente; die offizielle Abkürzung des Thesaurus linguae Latinae (394 u. ö.) lautet m. W. „ThlL“ (nicht ThLL“ [noch schlimmer im anglo-amerikanischen Raum: „TLL“]); usw.

 

Die Bibliographie listet 13 S. lang (397-409) allein Primärtexte auf, darunter überflüssigerweise z. B. zehn Werke Ciceros mit vollständigen Angaben – eigentlich eine Selbstverständlichkeit für jeden Wissenschafter, die jeweils rezenteste Edition zu benutzen. AK selbst macht das gerade nicht; um von Horaz (Klingner) zu schweigen: Ausonius z. B. wird mit „Oxford 1991“ zitiert; Greens damit nicht identische Oxoniensis von 1999 kennt sie offensichtlich nicht. Andererseits fehlen z. B. S. 408 Reifferscheidts unersetzte Sueton-Fragmente (1860), obwohl mit ihnen gearbeitet worden ist (S. 346, wo aber der Nachdruck 1971 übergangen wird). Eine sofort in die Augen fallende monströse Abkürzung „del D.AR.FI.CL.ET“ (407) wird nirgendwo aufgelöst; mangelnde Lateinkenntnisse zeigt ein Titel wie (409; passim schon vorher) „Wenrici scolastici Trevirensis epistola sub Theoderici episcopi Virdunensis nomine composita ed. Kuno Francke“ (statt Punkt/Komma oder epistolam … editam[9]; einmal richtig 408: „L. Senecae ad Lucilium epistulae morales, ed. Leighton …“). – Die alphabetische Ordnung im Verzeichnis der Sekundärliteratur (410-425) ist dadurch unnötig unübersichtlich geworden, dass die Vornamen vor statt hinter die Verfassernamen gesetzt sind; ferner, abgesehen von etlichen orthographischen Errata und inkonsequenten Schreibweisen: Der S. 423 Heinz Thomas zugewiesene Art. „Winrich von Trier“ stammt in Wirklichkeit von D. Jasper (AK’s Quellengabe bezieht sich dagegen auf Thomas’ Art. „Querela magistri Treverensis“); usw.

 

Druckfehler sind mir bei der (nicht primär darauf gerichteten) Lektüre nur wenige aufgefallen;[10] wesentlich störender sind die ungezählten, wenn auch teils spaßigen, peinlichen PC-Trennungsfehler,[11] deren Ausmerzung auch auf über 400 S. bei visueller Überprüfung der Zeilenenden und manueller Korrektur selbst unter der latenten Gefahr ‚einer raus, zwei Folgefehler rein’ kaum mehr als ein bis zwei Stunden Zeit (angesichts der vermuteten zehn Jahre ein Nichts) gekostet hätte. Bedenklich sind die Defizite in deutscher Grammatik,[12] ja überhaupt der Umgang mit der Muttersprache.[13]

 

Fazit: Als Alternative stehen jetzt zur Verfügung eine Ausgabe in einer überteuerten (74,10 €) Broschüre mit all den aufgezeigten, auch von Gutachtern und Reihen-Herausgeber unverzeihlich übersehenen Mängeln und ohne wesentlichen Erkenntnisfortschritt – oder eine schon für 2,10 € zu kopierende Zeitschriften-Edition, die zugunsten des Lesers einen, wo immer möglich, ergänzten Text, eine den Gehalt, die Semantik, Syntax, Stilistik und Wortstellung des Originals abbildende Übertragung sowie die nötigsten Sacherklärungen (mit z.B. Übersetzung aller Zitate) bietet;[14] über ein weiteres Konkurrenzunternehmen würde sich der Unterzeichner am meisten freuen.

 


[1] Ludwig Gompf: „Querela magistri Treverensis“ (Das sogenannte „Carmen Winrici“), in: Mittellateinisches Jahrbuch 4 (1967), 91-121; darauf antwortend D. Kuijper: Ad „Querelam magistri Treverensis“, ebd. 6 (1970 [sic]), 37-44.

[2] Überlange, auch den Fachmann abschreckende lateinische Zitate passim, besonders  S. 77 f. (Anm. 227), 202, 214, 222 (Anm. 499), 263 (Anm. 576), 295, 366 (ganze Seite Ecbasis).

[3] Völlig abwegig sind Kleins (besser zu verschweigende) Konjekturen zu V. 88 und 210, die sogar AK (S. 126; S. 126-128 [V. 210 numerisch an falscher Stelle]) zurückweist.

[4] Ständig werden verschiedene lateinische durch gleiche deutsche Wörter wiedergegeben, z. B. aliquis/alter/alius (54/57/61) „Ein anderer“, natis/prolem (151/155) „Kind(er)“, 292 f. querit/poscenti „fordern“, talis/sic (305) „so (sehr)“, plura/plurima (306) „mehrere Aufgaben“, distillat; lacrimas gelidas … illas (372) „tropft“ (370)/„diese frischen Tropfen“ (372), accendit/flammis (373) „entflammt“ (372)/„Flammen“ (373), vulgus/populus (381 f.) „Volk“ (381, 383), prunas/carbonibus (400/404) „Kohlen“, urat/tosta (404 f.) „anbrennen/verbrannte“, dum/cumque (431 f.) „weil/und weil“, prebens/consule (467 f.) „verschaffe/schaffe Rat“.

[5] Weder dort noch anderswo wird auf die abweichende Prosodie von Gregorianum (V. 103), Sedulius (116), Eusebius (120), postea (164, 219), antea (309) oder responde (396, Lemma falsch zitiert) verwiesen; s. dagegen PD’s Komm.

[6] Die zahlreichen Ergänzungen mit „scil.“ sind fast alle entweder falsch (s. z. B. oben zu 238 f.,) oder willkürlich (s. z. B. oben zu 348; oder 406 „sed [scil. si]“) oder überflüssig (z. B. 381 „[scil. quem]“, dazu fehlerhaft statt eum). – Falsches Latein auch z. B. S. 212, letzte Zeile (inaequis statt iniquis) oder 216 Anm. 478 (obsoletes persequutionibus).

[7] Unbegründetes Weglassen von Konjunktionen (-que, et, aut) auch z. B. 74, 287, 293, 303, 437; anderer Wörter: 67 (negat), 443 (ferat); überflüssige Doppelung z. B. 44 (monstrant).

[8] Beim einzigen weiteren Vorkommen (8) war presul in AK’s eigener Paraphrase „der Erste“ (bei PD selbstredend „der Vorsteher’). Im folgenden Vers (449) ist das gleichpräfigierte paronomastische preses (nur hier) bei AK „der Güterverwalter“, bei PD „der Vorsitzende“.

[9] Ähnlich z. B. auch S. 332 („in: Appendix Vergiliana ed. Wendell Vernon Clausen …“), wo man sich wie auch anderswo nach dem Sinn fragen muss, der in der unmittelbar aufeinanderfolgenden Wiederholung derselben, mehrere Zeilen einnehmenden bibliographischen Angaben rationell oder ökonomisch liegen soll.

[10] S. 68 Anm. 204 lies praeceptor statt praecepter (verdruckt im Original); 251 Anm. 561 lies pepones ([eine Art Melonen] statt popones); 222 Anm. 499 ist die Transformation eines griechischen Wortes misslungen.

[11] Z. B. das ständige „Tri-er“, „Tri-erer“, „Rom-anus“; ferner „Gom-pf (125), „Pros-p.“ (246), „Ri-chmond“ (332), „Wala-hfrid“ (335), „Aus-onius“ (339); Umlaute „ca-edibus“ (122), „Caesarea-eque“ (175), „pra-ef.“ (203, 207), „Ca-eli“ (343); lateinisch/griechisch „divers-um (185), „Apos-trophe“ (216), „dixer-untque“ (251), „su-biugavi“ (253), „mag-istrum“ (264); schon fast erheiternd „Wor-twahl“ (169), „Ben-edikt“ (383) oder „Feins-innigkeit“ (385); usw.

[12] Unverständlich S. 178: „Dass weltliche Anerkennung nichts nützt, wem die Weisheit Gottes fehlt“; ferner z. B. das Wesen einer Apposition (S. 176: „von Leucas, eine Insel“); sodann „die grundlegendste Grammatik“ (S. 302) oder „Der Diminutiv“ (268 Anm. 589).

[13] Z. B. „Das Setting der Querela ist ein Kanonikerstift“ (68); gemäß meinem Sprachgefühl sucht man im Duden vergeblich nach „Spekulativität“, „vorfindliche Schreibung“ (beides 128), „suburbial“ (235 Anm. 534), „Adressierung“, „Attribuierung“, „beredsam“ (alles 237 u.ö.), „Artifizialität“ (301), „emotiven“ (306); bei „Domannexkirche“ (57) oder „Gipfel der Lehrerehren“ (V. 454) stutzt der Leser zunächst erst einmal.

[14] Angesichts meiner Arbeitszeit (Beginn: 22.4.2010, Abgabe: 15.6.2010; Einarbeiten in die 1. Fahnen: 3.-4.8.; 2. Fahnen: 28.-29.8.) und angesichts des Rahmens eines Zeitschriften-Aufsatzes, der mit 84 Seiten schon das Dreifache des sonst Üblichen ausmacht, konnte ich manchem nicht noch weiter nachgehen, musste ich trotzdem auch vieles weglassen.